Was genau ist die Motivation hinter Rapflection, und wo kamen die Workshops bereits zum Einsatz?
Die besten Ideen kommen mir beim Laufen. Bewegung bringt den Geist in Schwung.
Wir schreiben das Jahr 2022, der Frühling hat begonnen. Die ersten Blüten wagen sich aus dem Erdreich und die mutigsten aller Vögel beginnen ihre Stimmbänder aufzuwärmen. Ich laufe meine Lieblingsrunde in einem belebten Park in Wien. Meine unbewussten Gedanken kommen und gehen, als plötzlich ein ganz besonderer Geistesblitz auftaucht. Ich bleibe so abrupt stehen, dass ich fast stolpere. Ein Wort macht sich in meiner Gedankenwelt breit, welches sich, bis zum Ende meiner Sporteinheit, wie ein innerliches Mantra wiederholt: Rapflection.
Ich sprinte mit erhöhtem Tempo durch die Straßen meines Wohnbezirks. Ich darf die Idee nicht verlieren. Schweißgebadet und nach Luft schnappend sperre ich meine Wohnungstür auf. Ich bin gleichzeitig erschöpft und voller Energie. Mein in die Jahre gekommener Laptop wird aufgeklappt und ich schreibe wie besessen an einem Dokument. Die Essenz dieses Geistesblitzes darf ich heute an Schulen, in Sozialen Einrichtungen etc. an Jugendliche übermitteln. Die Resonanz ist unfassbar positiv!
Springen wir noch einmal vier Jahre zurück. Nach der Matura beginne ich meinen Zivildienst in einer Mutter-Kind-WG für minderjährige Mädchen. Schon in diesem Setting durfte ich musikalisch mit Jugendlichen arbeiten. Schnell wurde mir klar: Genau in diesem Bereich möchte ich arbeiten!
Kurz darauf begann ich das Studium der Sozialen Arbeit und lernte dort viele Konzepte und Methoden kennen, die für die Arbeit mit Jugendlichen dienlich sind. Auch in diesem Zusammenhang durfte ich im Rahmen meines Langzeit-Praktikums mit Jugendlichen im Tonstudio arbeiten. Volltreffer! Heute betreue ich ebenfalls ein Tonstudio in einer Sozialpädagogischen Einrichtung. Das Potential von Rap-Musik in der Arbeit mit Jugendlichen ist enorm:
Reflexion
Beim Verfassen eines Rap-Textes setzen sich Jugendliche automatisch mit ihren Gedanken und Emotionen auseinander. Sowohl das Schreiben, als auch das gemeinsame Reflektieren der Inhalte, ermöglichen ein Auseinandersetzen mit der eigenen Innenwelt der Jugendlichen.
Ventil
Manchmal fühlen wir uns tottraurig, manchmal würden wir am liebsten alles kurz und klein schlagen. Und manchmal fühlen wir uns so glücklich, dass wir gar nicht wissen, wohin wir diese ganze Energie wenden sollen. Rappen, speziell in der musikalischen Praxis, bietet eine Möglichkeit, Angestautes rauszulassen. Wie bei einem unverschlossenen Luftballon, den man loslässt, kann all der Druck entweichen. Die persönlichen Herausforderungen förmlich rauszuschreien, stellt eine gesunde Art der Impulskontrolle dar, die zudem noch kreativ ist.
Ausdrucksform
Schon in den absoluten Anfängen wurde Rap als Sprachrohr von sozial-benachteiligten und diskriminierten Gruppen genutzt. Auch heute birgt Rap dieses Potential. Zurecht sind viele Jugendliche unzufrieden mit Dynamiken in der Welt. Auch hierbei bietet Rap die Möglichkeit auf Themen aufmerksam zu machen, die der jungen Generation wichtig sind.
Handlungsfähigkeit
Jugendliche brauchen Angebote, die ihnen das Gefühl vermitteln, selbstwirksam zu sein. Das Verfassen von Rap-Texten kann ein völlig neues Feld in der Freizeitgestaltung von jungen Menschen darstellen. Jugendliche, die beispielsweise in der Schule als minderbegabt abgestempelt werden, können sich durch Rap als höchst handlungsfähig erleben.
Erfolgserlebnisse
Nichts ist befriedigender, als einen eigenen Song abzuschließen und dem Freundeskreis zu präsentieren. Allein das kann schon eine rasante Verbesserung des Selbstwertgefühls herbeiführen. Zusätzlich ist das Live-Performen auf einer Bühne unglaublich empowernd. Wenn das Publikum applaudiert und nach mehr verlangt, kann das prägende Erlebnisse zur Folge haben, die nie wieder vergessen werden. Gerade Jugendliche, die in vielen anderen Lebensbereichen Misserfolg gewohnt sind, profitieren von diesen Erfahrungen.
Im Rahmen von Rapflection durfte ich schon mit vielen rap-begeisterten Jugendlichen arbeiten: In Schulen, in Sozialen Einrichtungen, bei Jugendvereinen, wie WienXtra, in Kultur-Projekten, wie "Demokratie Was Geht", in der Trauerbegleitung und in vielen weiteren Bereichen.